Neues Regionalbewusstsein?

Auf dem Weg zu einem neuen Regionalbewusstsein wirken viele Komponenten zusammen: Die Imagekampagnen zeitigen international wie auch innerregionale Erfolge. Das regionale Selbstbewusstsein wird schließlich auch durch die Wahl zur Spielstätte der Fußballweltmeisterschaft 2006 gestärkt, selbst wenn der anschließende Schritt, die Austragung der Olympiade 2012, nicht zuletzt wegen des überregional überdehnten, diffusen Auftritts scheitern musste.

Das Ruhrgebiet ist Gastgeber international vielbeachteter Kulturereignisse und bietet Spitzenkultur, die sich deutschland- und europaweit messen kann. Das Schlagwort der 1970er Jahre vom Ruhrgebiet als "kulturfreier Zone" gehört der Vergangenheit an. Die Medien haben das Ruhrgebiet entdeckt: regionale Fernsehproduktionen (Dortmund), auch die - endlich - ernstgenommene "Ruhrgebietsseite" der "Westdeutschen Allgemeine" (WAZ) belegen das. Die bis in die letzten Jahre und trotz hoher Auflagen überregional eher unauffällig agierende WAZ hat sich schließlich im Jahr 2002 zum Zugpferd der Ruhrstadt-Debatte gemacht (s. Thema "Zukünfte im Ruhrgebiet"), die zu den positiven Ergebnissen der "Großen Ruhrgebiets-Umfrage" erheblich beigetragen haben dürfte.

Vor allem die vom RVR und der IBA getragene Strategie, die alten Industrieflächen und -bauten nicht mehr abzureißen und - die eigene Biographie verneinend - geschichtslos "umzunutzen", darf in seiner image- und regionalbewusstseinsfördernden Wahrnehmung nicht unterschätzt werden. So wurden nicht nur der Industrie- und Städtetourismus spürbar belebt (s. Thema "Tourismus-, Sport- und Kulturwirtschaft"). Auch die bis dahin ungeliebte montanindustrielle Vergangenheit konnte so nach außen imageträchtig und nach innen identitätsstiftend aufgewertet (und vermarktet) werden.

Privatwirtschaftliche Initiativen wirken in die gleiche Richtung: Der Verein pro Ruhrgebiet, in dem sich klein- und mittelständische Unternehmen der Region organisiert haben, dient der Aufwertung des Standortprofils und Regionalbewusstseins. Der Initiativkreis Ruhrgebiet verfolgt ähnliche Ziele: In ihm sind im Jahr 2009 68 große deutsche Unternehmen organisiert, die sich dem Ruhrgebiet und der Stärkung seines Fremd- und Selbstbildes verpflichtet haben. Die Pflege von Spitzenkultur (Klavierfestival), die Weiterentwicklung des Weltkulturerbes "Zeche Zollverein", die Förderung der Ruhrgebietskompetenz in der medizinischen Spitzenforschung und regelmäßige Stipendienprogramme für ausländische Studierende sind nur einige Beispiele der aktuellen Tätigkeitsfelder (s. www.i-r.de).

Die Landesregierung dürfte von dieser Erstarkung des Regionalbewusstseins nicht unbeeindruckt geblieben sein: An Stelle einer Auflösung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet, dem einzigen Organ, das für die Gesamt-Region Definitions-, Image-, Verwaltungs- und Entwicklungsaufgaben wahrzunehmen in der Lage war und ist, wurde im Jahr 2004 eine Neustrukturierung zum Regionalverband Ruhr (RVR) begonnen (s. Thema "Zukünfte im Ruhrgebiet").