Re-Industrialisierung

Die Re-Industrialisierung erfasst das Ruhrgebiet in zwei unterschiedlichen Ausprägungen: Die Konzerne verfolgen einen ganz anderen Pfad des organisatorischen wie branchenstrukturellen Umbaus als die klein- und mittelständigen Betriebe.

Der Umbau der Konzerne zeichnet sich durch eine ganz außerordentliche Wandlungskompetenz aus: Innerhalb von zwei Jahrzehnten haben sich die stahl- und kohlebezogenen Geschäftsanteile der klassischen Montankonzerne von 80 bis annähernd 100 % im Kohle- oder Stahlbereich auf 20 % bis maximal 30 % verringert, Tendenz fallend.

Für das Ruhrgebiet ist hierbei entscheidend, dass diese weitgehende, erfolgreiche Umstrukturierung meistens nicht am alten Standort, sondern durch Aufkauf, Fusionen oder Beteiligungen von Unternehmen neuer Branchen erfolgte, deren Standorte in aller Regel außerhalb des Ruhrgebietes lagen, u.a. in den "Boom-Regionen" Süddeutschlands oder des Auslands.
Zwei Entkopplungsprozesse
Quelle: Autorenteam
Diese Form der "Re-Industrialisierung" ansässiger Konzerne schwächte den regionalen Arbeitsmarkt und die montanindustrielle Zulieferindustrie zusätzlich. War früher das Wachstum der montanindustriellen Großkonzerne identisch mit dem Wachstum der Arbeitsplätze und dem der (Zuliefer-)Unternehmen am Standort Ruhrgebiet, so entstand nun eine "Abwanderung" aus dem Ruhrgebiet, eine räumliche Verlagerung der Investitionen und Arbeitsplätze.
Die räumliche Entkopplung der Konzernentwicklung und des Ruhrgebietswachstums wiegt regionalwirtschaftlich ebenso folgenschwer wie die Abkopplung des Unternehmenswachstums vom Arbeitsplatzwachstum, in der die Rationalisierung von Arbeit - z.B. durch vermehrten Einsatz von Maschinen im Zuge der Automatisierung bzw. Roboterisierung der Fertigungsprozesse - den "Shareholder-Value", das Aktienkapital mehrt. Nach dem Vereinigungsboom zeichnen sich Tendenzen des "Jobless-" und "Job-loss-growth", damit eines hohen Arbeitslosigkeitssockels ab. Er wird die soziale Polarisierung zwischen Nicht-, Gelegenheits- oder Teilzeitbeschäftigten und schrumpfender Stammbeschäftigung verschärfen.

Dagegen bargen und bergen die Pfade der mittelstandspolitischen Bestandsentwicklung und der Neu-Industrialisierung (Gründungsförderung) entscheidende regionale Entwicklungsimpulse für das Produzierende Gewerbe. Hier liegen denn auch die Gründe für den landespolitisch induzierten Boom an "Technologie- und Gründerzentren" (s. Thema "Kommunale Wirtschaftsförderung") der 1980er und 1990er Jahre. Deren Arbeitsmarkteffekte blieben aber vergleichsweise bescheiden.