Wirkungen des Umbruchs

Entwicklung der Beschäftigung im Ruhrgebiet 1978 - 2000 (Tertiärer Sektor)
Quelle: Autorenteam, LISA-Datensatz des RVR
Der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft wirkt sich nun aber nicht nur im branchenstrukturellen Ab- und Umbau aus, sondern er schlägt sich auf dem Arbeitsmarkt auch in mehr oder weniger markanten Änderungsimpulsen wie der hohen Arbeitslosigkeit, wachsenden Qualifizierungsanforderungen und zunehmender Integration der Frauen in die Erwerbstätigkeit nieder.
Arbeitslosenquoten im Vergleich
Quelle: RVR-Datenbank
Von den 1960er bis zu den 1990er Jahren wächst die Arbeitslosenquote schubweise mit jeder Phase der Konjunkturschwäche stark an, mindert sich aber in der anschließenden Aufschwungperiode nur um einen Bruchteil des Zuwachsbetrages. Dieses Muster verläuft zwar in Nordrhein-Westfalen und in Gesamtdeutschland ähnlich, auffällig aber ist zweierlei: In den 1970er und 1980er Jahren wird der Abstand zu den Vergleichsregionen größer, denn die Erholungsphasen schlagen sich im Ruhrgebiet eher als schwächere Zunahme der Quoten nieder, nicht aber als Entlastung des Arbeitsmarktes. In konjunkturellen Schwächephasen wird dagegen das Ruhrgebiet deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen, während die konjunkturellen Aufschwungphasen erst mit rund dreijähriger Verzögerung eine (sehr kurz währende) Entlastung bringen.

Deutlich wird drittens die These der sog. Zwei-Drittel-Gesellschaft gestärkt: Sie besagt, dass in den hochindustrialisierten Ländern die bezahlbare Lohnarbeit in stabilen Normal-Arbeitsverhältnissen nicht mehr für alle Haushalte, sondern nur noch für zwei Drittel ausreicht. Ein Drittel lebt von Minijobs, Teilzeitarbeit, in der Schein-Selbständigkeit, von Schwarzarbeit (dem schnellst wachsenden Sektor) und staatlicher Fürsorge.

An die Folgen der lang anhaltenden Arbeitslosigkeit soll hier nur erinnert werden (s. Thema "Bevölkerung und Arbeit"): Massive selektive Abwanderungsprozesse qualifizierter und junger Arbeitskräfte im Familiengründungsalter, wachsende Sozialhilfeausgaben, die die kommunalen Haushalte überproportional belasten, soziale Ausgrenzung und Polarisierung, Kaufkraftverluste, aufwändige Umschulungsmaßnahmen (z.B. der Bergleute) und der Niedergang ganzer Stadtviertel, deren "Herz" die Zeche oder das Werk waren.
Entwicklung der Erwerbstätigenzahl nach höchsten Schulabschlüssen im Ruhrgebiet 1985-1997
Quelle: RVR-Datenbank
Untrennbar verbunden mit dem wirtschaftsstrukturellen Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft ist zum einen der zunehmende Anspruch an höhere Qualifikationen der Erwerbstätigen, zugleich aber auch der massive Umbau des Arbeitsmarktes hin zu weiblichen Beschäftigten. Während die Zahl der Geringqualifizierten - und hier fast ausschließlich die der Männer - zwischen 1985 und 1997 um fast 250.000 Erwerbstätige dramatisch abgenommen hat, nimmt sie in den höheren Schulabschlüssen bei Männern und Frauen annähernd gleichmäßig um insgesamt etwa 340.000 Personen zu.
Erwerbstätigenentwicklung im Ruhrgebiet und Nordrhein-Westfalen von 1990-1999
Quelle: RVR, Städte- und Kreisstatistik, Mikrozensus
Dabei sinkt die Zahl der männlichen Beschäftigten allein 1990 bis 1999 im Ruhrgebiet um 9,5 % (übriges NRW: -1,9 %), die der Frauen wächst um fast den gleichen Betrag (Ruhrgebiet: 9,4 %; übriges NRW: 11,9 %) (Lessing 2002, S. 288).