Vertiefung: Das Beispiel des Stahlwerks Duisburg-Rheinhausen

Nachdem Ende des 18. Jahrhunderts die Kapazität dreier älterer Hochofenwerke der Firma Krupp am Mittelrhein und in Duisburg-Hochfeld der steigenden Nachfrage nicht mehr gewachsen war, begann man im Jahre 1896 mit dem Bau des integrierten Hüttenwerkes Rheinhausen am linken Niederrhein.

Dieser Standort erwies sich aus zwei Gründen als günstig: Erstens standen Kohlevorkommen in der Nachbarregion zur Verfügung und zum zweiten bot der Rhein eine ausgesprochen günstige Transportlage. 1897 blies man die ersten Hochöfen an und erzeugte seit 1900 Siemens-Martin-Stahl und seit 1905 Thomas-Stahl.
Nach seinem Gründer wurde das Werk "Friedrich-Alfred-Hütte" genannt.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde das Werk zum größten Hüttenwerk Europas ausgebaut, das im Produktionsprogramm Halbzeug, Stab- und Profilstahl, Schienen, Schwellen und Walzdraht vorweisen konnte.

Das Werk wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend von Kriegsschäden verschont und entging in der Nachkriegszeit nur knapp einer völligen Demontage (s. Thema "Weltkriege und Nachkriegszeit"). Im Rahmen der Entflechtung der Grundstoffindustrie wurde die "Friedrich-Alfred-Hütte" im Jahr 1947 in die Hüttenwerk-Rheinhausen-Aktiengesellschaft integriert.

Bald folgten Modernisierung und Ergänzung der Anlagen.
Nachdem gegen Mitte der 1970er Jahre die weltweite Stahlkrise einsetzte, mussten auch Werke oder Werksteile in Deutschland schließen. Dieses Schicksal traf am 2. Dezember 1982 auch die Walzwerkanlage der Krupp Stahl AG in Duisburg-Rheinhausen. Das Werk konnte selbst am subventionierten Markt nicht mehr konkurrenzfähig produzieren. Die Belegschaft musste um 3.600 Arbeiter verringert werden. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Nachfragerückgang und Preisverfall kombiniert mit subventionierten Produkten aus dem europäischen Ausland keine Konkurrenzfähigkeit mehr gewährleisten konnten (Harenberg 1987, S. 599).

Seit November 1987 kam es vermehrt zu Demonstrationen für die Erhaltung des Stahlstandortes Rheinhausen.
Als sich dann die Pläne zum Stellenabbau auf weit mehr als 5.000 Arbeitsplätze erhöhten, legten aus Solidarität am 10. Dezember 1987 etwa 100.000 Stahlarbeiter und Bergleute im ganzen Ruhrgebiet ihre Arbeit nieder und mit Brücken- und Straßensperren den Verkehr im westlichen Ruhrgebiet lahm.

Mit zahlreichen Protestaktionen wie Gottesdiensten, Mahnwachen, Schüleraktionen, Rockkonzerten, der Besetzung der Rheinbrücke von Duisburg-Rheinhausen und einer Menschenkette durch das ganze Ruhrgebiet wurde der Höhepunkt, aber auch der Schlusspunkt einer Ära der montanindustriellen regionalen Solidarität erreicht.
Die Schließung des Werks Rheinhausen wurde damit zum Synonym für "Stahlkrise" und machte Duisburg-Rheinhausen in ganz Deutschland bekannt. Die Protestaktionen konnten nicht mehr als einen Aufschub bewirken: Die Hochöfen des Werks legte man erst 1989 und 1990 still.

Trotz des jahrelangen, zum Teil spektakulären Kampfes um den Erhalt der Arbeitsplätze wurde das zum damaligen Krupp-Hoesch-Konzern gehörende Stahlwerk Duisburg-Rheinhausen am 14. August 1993 endgültig geschlossen.
Wie es bei derartigen Schließungen und beim gesamten Rückbau der Montanindustrie üblich war, sahen Sozialpläne vor, die bevorstehende Arbeitslosigkeit durch Vorruhestandsregelungen und Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen - später zunehmend durch Umschulungen und Weiterqualifikationen - "sozialverträglich" zu gestalten. Die Produktion des Werkes sollte durch die Kooperationen zwischen Krupp, Mannesmann und Thyssen in das Hüttenwerk Duisburg-Huckingen sowie das Walzwerk Rheinhausen verlagert werden (Harenberg 1987, S. 631). Heute erinnern nur noch viele Straßen- und Platznamen in Rheinhausen an die industrielle Vergangenheit (Friedrich-Alfred-Str., Krupp-Platz, Mevissenstr., Diergardt-Park).

Im Jahre 1998 wurde das ehemalige Hüttengelände wieder mit neuer Funktion gefüllt: Die Duisburg-Ruhrorter Häfen AG kaufte das Gelände und baute es zu einem Logistik-Center (Logport) aus (s. Thema "Verkehr und Logistik").

Weitere Hinweise und Fotos zum ehemaligen Hüttenwerk Rheinhausen finden sich unter Internet 5 (s. Literatur).