Charta von Athen: 1933 und 1998

Die Charta von Athen ist ein städtebauliches Manifest, das 1933 auf Inititative des CIAM (Congrès International d'Architecture Moderne = Internationaler Kongress für neues Bauen) als Leitbild für den Städtebau der Zukunft verfasst und 1941 von Le Corbusier anonym veröffentlicht wurde. Sonne, Licht, Luft und Hygiene kommen in diesem Manifest besondere Bedeutung zu. Als weitere wichtige städtebauliche Aspekte wurden der Einsatz moderner Techniken und Materialien wie auch - und das ist das eigentliche Kernanliegen - die räumliche Trennung von Wohn-, Arbeits- und Erholungsorten gefordert (Heineberg 2000). Dadurch war ein zunehmender Pendelverkehr zwischen allen städtischen Grundfunktionen, zwischen Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Verwaltung, Kultur und Freizeit vorprogrammiert. Die Folgen dieses Stadtentwicklungs-Modells, ein nicht mehr zu bewältigendes Verkehrsaufkommen, erforderten 50 Jahre später ein Umdenken.

Der durchschlagende Erfolg der "Charta von Athen" und die Mängel, die sie in der Struktur und Funktion der Städte hinterlassen hatte, gaben Anlass, im Jahr 1998 eine neue Charta zu entwerfen. Sie soll den Erfordernissen der kommenden Jahrzehnte besser entsprechen, indem sie den Bürger wieder eindeutig in den Mittelpunkt politischen Handelns stellt. Im Vordergrund der Stadtentwicklung stehen die vielfältigen sozialen Gruppen und Schlüsselpersonen des städtischen Lebens.

Um den kulturellen und sozialen Bedürfnissen heutiger und kommender Generationen gerecht zu werden, bedarf es neuer Leitlinien in der Stadtplanung, wobei der Stadtplanung nicht mehr ausschließliche Gestaltungskompetenzen, sondern neue Rollen der Koordination und Moderation zufallen. Hauptgegenstand der neuen Charta soll die umfassende Beschäftigung mit den Stadtstrukturen und den gesellschaftlichen Verhältnissen sein. Der Stadtplaner soll dabei durch die Formulierung von Leitbildern/Visionen Entwicklungsperspektiven aufzeigen, einen breiten Diskurs anstoßen und steuernd begleiten. Planer sollen die neuen Aufgaben der Stadt definieren, verinnerlichen und im Dialog mit den jeweiligen Partnern auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene weiterentwickeln (aus den Richtlinien des Europäischen Rats der Stadtplaner (= ECTP) zur Planung von Städten 1998).

Quelle: Heineberg, H. (Hrsg.) (2000): Grundriß Allgemeine Geographie: Stadtgeographie. Paderborn: Schöningh