Vertiefung: Herne

Zeche Shamrock, Wanne
Quelle: Stadt Herne, Bildarchiv
Der Bahnhof der Stadt Herne diente dem Anschluss der 7 km südlich gelegenen Stadt Bochum mit der Köln-Mindener Bahn. Er wurde zwischen dem Wasserschloss und dem Dorf Herne errichtet. Die Bahnhofstraße wurde zur Leitlinie städtischer Entwicklung und entwickelte sich zur Hauptgeschäftsstraße. Nach dem Abteufen der ersten Zeche Shamrock im Jahr 1857/59 durch den Unternehmer Mulvany - typischerweise ein ausländischer, irischer Investor - begann der Aufstieg Hernes zur Industriestadt. Zwischen 1847 und 1890, in nur gut 40 Jahren, verzwanzigfachte(!) sich die Einwohnerzahl Hernes von ca. 1.000 auf 20.000 Einwohner (Internet 4).
Städtebaulich ungeplante Wohnsiedlungen, die Zechenkolonien, entstanden in Sichtweite bzw. Fußgängerentfernung zur Zeche, so etwa in Sodingen (Mont Cenis), Börnig (Teutoburgia, Friedrich der Große), in Wanne (Unser Fritz, Pluto), in Eickel (General Blumenthal) und in Holsterhausen (Hibernia). Außer Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs - wozu auch Kiosk ("Trinkhalle") und Eckkneipe gehör(t)en - besaßen solche Siedlungen keinerlei städtische Funktionen. Es entstanden in dichter Streuung "Industriedörfer" und mit ihnen das "Revier der 1.000 Dörfer".

Herne wurde im Jahr 1897 Stadt. Durch mehrfache Eingemeindungen der genannten, von Arbeits- und Lebensstätte der Zeche geprägte Industriedörfer erfuhr die Stadt Herne weiteres Wachstum, nicht aber Urbanität. Oft büßten die Stadtteile durch die Zechenschließungen ihren Entwicklungsmotor, Lebens- und identifikatorischen Mittelpunkt ein. Erst die Internationale Bauaustellung (IBA) Emscher Park sollte eine Generation später beispielhafte Modelllösungen dieser Misstände initiieren (s. Thema "Stadtentwicklung").
Bahnhofstraße in Herne
Quelle: Duckwitz/Hommel 2002, S. 223
Heute hat die Stadt eine Bevölkerung von rund 170.000 Einwohnern. Urbane Qualität fehlt der Stadt bis heute. Dazu tragen zwei Ursachenkomplexe bei. Zum einen ist Herne in z.T. von weiteren Großstädten umgeben. Suburbanisierung und Entlastung der kernstädtischen Dichte, aber auch Zentralität im Sinne eines Funktionsüberschusses für die Einzugsbereichsbevölkerung fehlen somit systembedingt.
So lag es nahe, Mitte der 1970er Jahre eine innerstädtische "Nachverdichtung" und funktionale Aufwertung der Herner Innenstadt zu planen, das "Herner Modell". Neben einer damals innovativen und für den Einzelhandel attraktiven Fußgängerzone schuf man city-integriert hochverdichteten Wohnraum. Eine unmittelbare Anbindung an Straßen- und später U-Bahn sollte dabei die Fixierung auf den Auto-Pendelverkehr mindern. Damit entsprach das Herner Modell in seinen Grundzügen ganz der Entwicklungsprogrammatik, die Ende der 1960er Jahre eigens zur Behebung der ruhrgebietstypischen Strukturdefizite entworfen worden war (s. Thema "Strukturpolitik") (vgl. Heineberg/Mayr 1983, S. 140f.).