Einleitung

Von der Montanindustrie zu Industrienatur und -kultur
Quelle: RVR-Fotoarchiv, Kollage Autorenteam
Trotz der kontinuierlichen Bemühungen um Freiflächenerhalt des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk, seines Nachfolgers Kommunalverband Ruhrgebiet, dem heutigen Regionalverband Ruhrgebiet und trotz der vereinzelten Investitionen in Kultureinrichtungen (Grillotheater Essen, Folkwangmuseum Hagen, später Essen, vgl. Thema "Kultur und Regionalbewusstsein") hat man im Ruhrgebiet "den Erhalt der kulturellen und ökologischen Qualitäten immer wieder zugunsten von Investitionen zurückgestellt, die schnell neue Arbeitsplätze versprechen und überwiegend einzelwirtschaftlichen Kalkülen unterliegen". Am Ende besteht die Gefahr, dass solche Regionen immer mehr an Attraktivität verlieren. Denn "erst geht die Kultur und dann geht die Arbeit" (Sachverständigenkreis 1996, S. 4).

Vor diesem Hintergrund hat die Frage nach der Entwicklung der Kultur im Ruhrgebiet seit Ende der 1960er Jahre mit zunehmender Dynamik immer neue und verschiedenste Antworten erhalten. Neben der "bürgerlichen Hochkultur" und der sich vorwiegend in Vereinen abspielenden Breitenkultur findet im Ruhrgebiet eine neuentdeckte und vornehmlich hier anzutreffende Variante, die Industriekultur ihren Nährboden.

Denn die Industriekultur des Ruhrgebiets ist unverwechselbar und unterscheidet die Region von anderen. Sie vermag - über Regionalmarketing und Tourismus kommuniziert - die im Europa der Regionen dringend erforderliche Profilierung zu unterstützen und in der Tourismus-, Kultur- und Freizeitwirtschaft eine "unique selling position" zu besetzen (vgl. Thema "Tourismus-, Sport- und Kulturwirtschaft").

Erst im und nach dem massiven Rückzug der Schwerindustrie verdichteten sich die gebauten Symbole der regionalen Industriegeschichte, die Malakow-Türme, Fördergerüste, die Hochöfen, Maschinen- und Produktionshallen zu einem Mythos von Kohle und Stahl. Industriedenkmäler bilden dessen wesentliches, aber nicht alleiniges Medium: Erst die Öffnung der einst "verbotenen Stätten" und Betriebsanlagen, der aktive Umgang, das Ereignis in und mit ihnen, der kritische Diskurs, kontrastiert mit und interpretiert durch Kunst, schließlich der unbekannte und voller Überraschungen steckende Prozess der Rückeroberung durch "Industrienatur" öffnen den Zugang zu diesem Mythos.

Die Bestätigung dieser ehrgeizigen Selbstbetrachtung erhielt das Ruhrgebiet mit der Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas 2010. Quasi mit einem Gütesiegel wird hierdurch der Öffentlichkeit bestätigt, dass die Region an der Ruhr Beispielcharakter in kulturellen Belangen besitzt.