Wirtschaftsförderung aktuell

Nach den Innovationswellen der nachahmenden, gleichgerichteten kommunalen Wirtschaftsförderung fanden sich ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend räumliche, sektorale und thematische Strategien der Ausdifferenzierung und Spezialisierung: Im Sinne räumlich arbeitsteiliger Profilierung stärkte und stärkt z.B. Dortmund seinen Ruf als IT-Standort, der Emscher-Lippe Raum als Standort für alternative Energien und Chemie, Essen als Wirtschaftszentrale mit umfangreichen Konzernhauptsitz-Funktionen, Duisburg und Herne als Logistikzentren und Bochum als Standort des produzierenden Gewerbes. Auch geht die Suche nach imageträchtigen kommunalen "Leuchtturm-Projekten" weiter. Nachdem sich beispielsweise das Dortmunder "UFO" und Essener "Passarea" - beides höchst ambitionierte Projekte einer Hauptbahnhof-Überbauung - als nicht durchführbar erwiesen hatten, haben die beiden größten Kommunen der Metropole Ruhr mit nicht minder spektakulären Projekten - Krupp-Gürtel in Essen und Phoenix in Dortmund - ihre Suche nach einem regionalen wie (inter)nationalen Aushängeschild weiter verfolgt.

Derartige "Leuchtturm-Projekte" zeigen auch eine zweite Tendenz: Die kommunale Wirtschaftsförderung ist auf dem Weg von einer Einrichtung zur Neu-Ansiedlung von Gewerbe - über die Phase der Vervielfältigung (neuer) Entwicklungsideen - hin zu einer querschnittsorientierten kommunalen Entwicklungspolitik. Sie integriert die Mehrheit kommunaler Politikfelder zu einer umfassenden und vereinzelt bereits auch interkommunal abgestimmten, teilweise kooperativen Standortentwicklung. Eine derartige neue Komplexität, die nun zudem auf Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit des Standortprofils gerichtet ist, lässt sich eher in Verhandlungssystemen, im Verbund mit Land, Unternehmerschaft, Kammern, Wissenschaft und Kultur bewältigen. Die Zeit des wirtschaftsförderungspolitischen Kirchturmdenkens - der "Vielzahl der Einheiten" - scheint allmählich auch im Ruhrgebiet der funktional sowie räumlich sich ergänzenden und arbeitsteiligen "Einheit in Vielfalt" zu weichen.

In diesem neuen Selbstverständnis kommt einer regional integrierten Wirtschaftsförderung als "Leitlinie der Erneuerung" eine erhebliche Bedeutung zu. Seit 2007 ist die Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr) für die regionale Wirtschaftsförderung im Ruhrgebiet zuständig. Als Gesellschaft des Regionalverbandes Ruhr (RVR) bündelt sie "kommunale Interessen und entwickelt gemeinsam mit den Städten Profile, die die ökonomischen Potenziale der Region herausstellen" (Internet 13).

Zu den zentralen Aufgaben der Gesellschaft gehören:
  • Nationale und internationale Bewerbung des Standortes Metropole Ruhr
  • Initiierung und Begleitung regionaler Netzwerke und Kompetenzzentren
  • Akquise und Beratung von Unternehmen in allen Fragen der Standortsuche
  • Bereitstellung wirtschaftsrelevanter Informationen über die Region
  • Vermittlung von Netzwerken, Kontakten und Ansprechpartnern vor Ort
  • Koordinierende und fachliche Unterstützung der Kommunen bei der Beantragung von Fördermitteln (Internet 14).


Die wmr koordiniert und organisiert als Service für Unternehmen z.B. wichtige Messeauftritte der Metropole Ruhr. Während sich im März 2003 z.B. sowohl Dortmund als auch Duisburg auf der Internationalen Immobilienmesse in Cannes und Duisburg sowie auf der Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin separat präsentierten, tritt das Ruhrgebiet nun - beispielsweise auf der ExpoReal oder der transport logistic in München, dem BVL-Kongress in Berlin, der MIPIM in Cannes oder der Boot in Düsseldorf - gemeinsam auf.
Handlungsfelder der Wirtschaftsförderung
Quelle: Gärtner, Terstriep, Widmaier 2002, S. 174
Mit den sich verändernden Rahmenbedingungen (vgl. Thema "Megatrends des gesellschaftlichen Umbruchs") hat sich das Aufgabenspektrum der Wirtschaftsförderung geändert und ist komplexer geworden. Die förderungspolitische Strategie der "Cluster", d.h. im Ruhrgebiet der "Kompetenzfeldwirtschaft", bietet dafür ein gutes Beispiel (vgl. Thema "Kompetenzfeldwirtschaft"): Sie zielt auf die Entfaltung der regionalen Kompetenzen entlang von Wertschöpfungsketten (mit dem Anspruch, sich durch regionale Alleinstellungsmerkmale zu profilieren), auf die Mobilisierung und Weiterentwicklung endogener Potenziale ("Stärken stärken"), auf die innerregionale Vernetzung und letztlich auf die Entfaltung innovativer Milieus.

Über dieses - einzelstädtisch kaum zu beherrschende - Aufgabenspektrum darf nicht aus dem Blick geraten, dass alle diese Ziele nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Verbesserung der Lebensqualität am Standort sind. Andernfalls läuft eine derartig verkürzte Perspektive der Wirtschaftsförderung Gefahr, an dem wachsenden Anspruchsniveau an Wohn- und Freizeitwert gerade der dringend benötigten hochqualifizierten Arbeitskräfte vorbei zu steuern.

(Teil-)Regionale Wirtschaftsförderung

Während die kommunale und Landesebene der Wirtschaftsförderung in Deutschland föderal organisiert und in ihren räumlichen Zuständigkeiten fest umrissen sind, haben sich in den 1990er Jahren zusätzliche Sonderformen wie die der "Private-Public-Partnerships" - eine aktive Einbeziehung interessierter Unternehmen in das förderungspolitische Geschehen und dessen Umsetzung - und die der regionalen Wirtschaftsförderung entfaltet. Die Zweckmäßigkeit der regionalen Ebene bedarf einer besonderen Begründung.

"Für eine regionale Wirtschaftsförderung spricht zunächst, dass enge wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Gebietskörperschaften diese zu einer Schicksalsgemeinschaft machen, die ein gemeinsames Auftreten sinnvoll erscheinen lässt. Es kommt hinzu, dass im europäischen und weltweiten Standortwettbewerb keine Stadt mehr alleine auftreten kann, sondern ein relativ hoher Bekanntheitsgrad nur für eine Region zu erreichen ist. Zudem ergänzen sich die Funktionen von Städten und Umlandkreisen mit der Folge, dass sich arbeitsteilige Strukturen herausbilden. Dieser Prozess ist in allen Ballungsregionen Deutschlands zu beobachten und hat daher zu einer flächendeckenden Einführung der regionalen Ebene in der Wirtschaftsförderung geführt" (KVR 2002, S. 123). Im Ruhrgebiet agiert auf Grund seiner polyzentrischen Struktur (allein 11 kreisfreie Städte und 4 Kreise) eine Vielzahl von wirtschaftsförderungspolitischen Akteuren:
  • Kommunale Einrichtungen (Wirtschaftsförderung, Wachstumsinitiativen, etc.),
  • RVR bzw. Wirtschaftsförderungsgesellschaft Metropole Ruhr GmbH,
  • teilregionale (!) "Regionale Entwicklungskonferenzen",
  • Entwicklungsagenturen (Emscher-Lippe-Agentur vgl Download),
  • überkommunale Netzwerke (Vertiefung "wir 4"),
  • spezialisierte Organisationen wie die der Ruhrgebiet Tourismus GmbH,
  • Technologie- und Gründerzentren, Transferstellen,
  • fünf Industrie- und Handelskammern,
  • drei Handwerkskammern,
  • drei Regierungsbezirke.

Hier besteht dringender Koordinierungs- und Reformbedarf, um u.a. verbindliche Arbeitsteilungen und die Formulierung eines regionalen Leitbildes auf den Weg zu bringen (KVR 2002, S. 124f).