Phase 3 (1987 - 1999): Regionalisierte Strukturpolitik (RSP)

Wenngleich der Versuch des APR, eine dialogorientierte Strukturpolitik zu initiieren, wohl eher als symbolische Politik einzuschätzen ist (Wissen 2000, S. 73), da zwar die Präsentationsform als Konferenz neu, das Programm selbst aber klassisch "top down" von der Landesebene erstellt worden war, so waren doch die Signale einer neuen Planungskultur unübersehbar: Um die Akzeptanz zu erhöhen, die Umsetzungsprobleme zu mindern und innenbürtige Potenziale zu mobilisieren, mussten die Koordinationsprobleme und widerstreitenden Interessen der vielfältigen, aus der gesamten Region stammenden Akteure bewältigt werden.

Damit waren nicht nur selbstdefinierte, der endogenen Potenzial-Strategie entsprechende Inhalte, sondern besonders auch neue Verfahren der Strukturpolitik gefragt. Weitere geplante Zechenschließungen und ein steigender Sockel an Arbeitslosigkeit erhöhten den Handlungsdruck.

Nach eher experimentellen und vorläufigen Verfahrensinnovationen im Rahmen des Programms "Zukunftsinitiative Montanregion (ZIM)" (1987) (u.a. Arbeitsmarktregionen als Regionszuschnitt, Kooperation verschiedener lokaler und regionaler Akteure im Sinne der Sozialpartnerschaft) und einer positiven Einschätzung der wissenschaftlichen Begleitforschung wurde das Programm präzisiert und im Jahr 1989 als Zukunftsinitiative für die Regionen Nordrhein-Westfalens (ZIN) auf das ganze Land ausgeweitet.

Die Unterteilung in sog. Regionen, die im Ruhrgebiet z.B. zwei oder drei Städte bzw. Kreise umfassen, sollte helfen, die jeweiligen endogenen Potenziale der neuen Regionen konsensual herauszuarbeiten, deren Probleme und Handlungsfelder maßgeschneidert anzupassen, um schließlich entsprechende Projektkataloge dem Land zur Förderung vorzulegen.

Sechs Regionen wurden im Ruhrgebiet in enger Anlehnung an die Bezirke der Industrie- und Handelskammern gebildet:
  • Östliches Ruhrgebiet (Dortmund, Kreis Unna, Hamm)
  • Mittleres Ruhrgebiet (Bochum, Herne, Hattingen, Witten)
  • Mülheim an der Ruhr/Essen/Oberhausen (MEO)
  • Emscher-Lippe-Region (Gelsenkirchen, Bottrop, Kreis Recklinghausen)
  • Märkische Region (Hagen, Breckerfeld, Ennepetal, Gevelsberg, Herdecke, Schwelm, Sprockhövel, Wetter)
  • Region NiederRhein (Duisburg, Kreis Wesel)
Räumliche Gliederung der Regionalkonferenzen in Nordrhein-Westfalen
Quelle: KVR (1994): Schulbuchinformationsdienst Ruhrgebiet (SIR), Nr. 18
Diese Regionalisierung der Strukturpolitik sollte den prozessualen Defiziten beikommen, wie sie z.B. bei der Ruhr-Konferenz aufgetreten und überdies für das Ruhrgebiet typisch waren (und sind). Man erwartete folgende Vorteile:

(a) Dezentralisierung: Die Formulierung der Strukturpolitik sollte differenziert von sechs Regionen (Ruhrgebiet/ZIM) und später von 15 Regionen (NRW/ZIN) geleistet werden.

(b) Partizipation: Das neue Verfahren übertrug die Formulierung der Planungsinhalte und deren Umsetzung auf das gesamte Spektrum der lokalen Akteure.

(c) Endogene Potenziale: Auf dieser Ebene konnten am besten die mobilisierbaren endogenen Potenziale identifiziert und z.B. Unternehmensverbünde bzw. Kooperationen - ein neuer Hoffnungsträger - realisiert werden.

(d) Kooperation: Schließlich erschien eine verbesserte interkommunale Kooperation erreichbar, "was angesichts der gerade für das Ruhrgebiet typischen Bürgermeister-Konkurrenz einen wesentlichen Fortschritt bedeutete" (KVR 2000, S . 6). Die Bildung der neuen "Regionen" folgte daher dem Prinzip, mehrere Gemeinden/Städte zusammenzufassen (z.B. Mülheim, Essen und Oberhausen).

(e) Koordination: Erwartet wurde auch eine effizientere Verzahnung mit den Fachpolitiken im Sinne des aufkommenden Nachhaltigkeitsgedankens. So waren zum Beispiel Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik aufeinander abzustimmen. Man kam so den Bemühungen um eine Ausweitung der kommunalen Wirtschaftsförderung entgegen, die sich zu einer Art kommunaler Entwicklungspolitik mit bislang unüblichen Politikfeldern wie Umweltschutz, Stadtplanung und Kulturpolitik gewandelt hatte (s. Thema "Kommunale Wirtschaftsförderung").

(f) "Goldener Zügel": Das Land gab zum einen die Analyse- und Handlungsfelder vor, die von den "Regionalen Entwicklungskonferenzen" zu bearbeiten waren und in den "Regionalen Entwicklungskonzepten" eine zentrale Rolle spielen sollten (so z.B. die Entwicklung von regionalen Leitbildern und Stärke-Schwächen-Analysen; die Bevorzugung der Themenfelder "Neue Technologien", "Qualifikation", "Flächenmobilisierung", "Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Belange" sowie "Gleichstellung von Mann und Frau"). Zum anderen verlangte das Land interkommunale Konsensbildung. Nur solche Projektvorschläge konnten gefördert werden, die zum einen dem Land förderungswürdig erschienen und zum anderen von den beteiligten Akteuren (IHK, Arbeitsverwaltung, DGB, Handwerkskammern, Umwelt- und Gleichstellungseinrichtungen, ...) konsensual verabschiedet worden waren.

Erfolgsbilanz

Die Erfolgsbilanz der Regionalen Entwicklungskonferenzen (REK) fällt zweischneidig aus:

  • Eine gesamtregionale, also das Ruhrgebiet betreffende Abstimmung der teilregionalen Entwicklungsplanungen blieb aus.
  • Einige Regionen haben das Programm bis heute als strukturpolitischen Handlungsrahmen erfolgreich genutzt und ausgebaut, so etwa die Emscher-Lippe Region und die Region NiederRhein. Andere lassen eine Fortschreibung seit Mitte der 1990er Jahre vermissen (MEO).
  • Seitens der Akteure wird die mangelnde Transparenz der Mittelvergabe und ihrer Kriterien bemängelt.
  • Nicht selten wurden von den Regionalkonferenzen bereits fertiggestellte Pläne aus der "Schublade" eingereicht.
  • Überdies ließ die Netzwerkstruktur der Beteiligten zu wünschen übrig: Die nominell eingesetzten Spitzenpolitiker waren nicht immer in der Lage, sich an den zeitintensiven Aushandlungsprozessen zu beteiligen und mussten sich oft von nicht Entscheidungsbefugten vertreten lassen (Fürst 1993, 21-51).
  • Regional spezifische Leitbilder wurden nur ansatzweise, z.B. im Muster "Technologiestandort" entwickelt. Eine spezifische regionalwirtschaftliche Profilbildung, wie sie später im Rahmen der Kompetenzfeldwirtschaft versucht wird, kam kaum zu Stande (Ausnahmen: Region Emscher Lippe mit dem (IBA-)Leitbild "Leben und Arbeiten im Park" und Niederrhein: "Logistik und Großhandel").