Die Hochschulen im Ruhrgebiet II

Am 01.01.2003 ist die Universität Duisburg-Essen auf Grund des vom Landtag am 18.12.2002 beschlossenen Gesetzes zur Errichtung der Universität Duisburg-Essen und zur Umwandlung der Gesamthochschule eingerichtet worden. Sie ist Rechtsnachfolgerin der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und der Universität Essen (Internet 12). Dieser Zusammenschluss ist nach großen Widerständen vor allem aus Forschung und Lehre zustande gekommen und war letztlich nur mit landespolitischem Druck durchzusetzen.

Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg

Duisburg zählt zu den ältesten deutschen Universitätsstädten überhaupt, eine Tatsache, die kaum bekannt ist. Bereits aus dem Jahr 1564 stammt die päpstliche Genehmigung zur Gründung einer Universität, welche 1566 durch den Kaiser bestätigt wurde. Erst etwa 90 Jahre später, im Jahr 1655, wurde die Universität schließlich eröffnet. 1818 löste man sie zugunsten der neu gegründeten Bonner Universität auf. Sie konnte erst am 7. August 1972 als Gesamthochschule wieder eröffnet werden und war nach dem berühmten Geographen und Kartographen Gerhard Mercator benannt.

In elf Fachbereichen studierten im Jahr 2008 rund 32.500 Studenten in klassischen und modernen Studiengängen. Das Studienangebot erstreckt sich über mehr als 27 Fächer.

Die Universität Duisburg forscht in interdisziplinären Hochtechnologien, die von der Mikroelektronik und Nanotechnologie bis zur Wasser-, Umwelt-, Aerosol- und Magnetismusforschung reichen und internationale Anerkennung gefunden haben.

Eine Besonderheit ist auch das Institut für Ostasienwissenschaften. Hier liegt der Fokus auf einer gegenwartsbezogenen, interdisziplinären Ostasienforschung in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Geographie, Geschichte und Kultur. Die Forschung steht in enger Beziehung mit den ostasiatischen, vor allem japanischen Firmen des Düsseldorfer Raumes (KVR 1988, S. 51 ff. und Internet 11). Im Zuge knapper werdender öffentlicher Haushalte und in der Hoffnung auf Effizienzsteigerung durch Kooperation hat die Landesregierung im Jahr 2003 die Universitäten Duisburg und Essen fusioniert.
Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg
Quelle: RVR-Fotoarchiv

Universität Duisburg-Essen, Standort Essen

Universität Duisburg-Essen, Standort Essen
Quelle: RVR-Fotoarchiv
Die Universität Essen wurde am 1. August 1972 als integrierte Gesamthochschule eröffnet. Entstanden ist sie durch die Überleitung bereits existierender Einrichtungen wie die Staatliche Ingenieurschule für Maschinenwesen, die Abteilung Essen der Pädagogischen Hochschule Ruhr, die Designfächer der renommierten Folkwang-Hochschule und die Städtischen Krankenanstalten, die zunächst noch Teil der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum waren.

Rund 7.600 Studenten (2008) nutzen das Studienangebot der 14 Fachbereiche. Die Forschung an der Universität - Gesamthochschule - Essen umfasst ein breites Spektrum, welches sich über vielfältige Aufgabenstellungen u.a. aus der Medizin sowie über die Bereiche Umwelttechnik und Ausländerpädagogik erstreckt.

Ein wichtiges Standbein der universitären Lehre stellt das Universitätsklinikum dar. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis ermöglicht eine rasche Umsetzung der neuesten Forschungserkenntnisse (KVR 1988, S. 55 ff. und Internet 10).

Fernuniversität - Gesamthochschule - Hagen

Der 1. Dezember 1974 gilt als Gründungsdatum der Fernuniversität - Gesamthochschule in Hagen. Der Studienbetrieb begann im Wintersemester 1975/76 mit 1.300 Studenten.

Als autonome Universität und Körperschaft öffentlichen Rechts ist sie eine Einrichtung des Landes wie jede andere Universität. Der bedeutende Unterschied liegt hier aber zum einen in der Art der Lehrvermittlung und auch in dem besonderen studentischen Nutzerkreis dieser Hochschule. Unter den Gründungsaufgaben der Fernuniversität Hagen standen die Kapazitätsentlastung für die bestehenden Hochschulen, der Beitrag zur Studienreform und das Angebot einer wissenschaftlichen Weiterbildung im Vordergrund. Wesentlich ging es dem Auftrag der Fernuniversität um die Verbesserung der Chancen einer wissenschaftlichen Bildung für möglichst viele Bürger und besonders auch einer berufsorientierten wissenschaftlichen Weiterbildung.

Auf eine ständige Präsenz der Studierenden am Ort der Hochschule wird also verzichtet und damit wird ihnen in räumlicher wie zeitlicher Hinsicht ein maximaler Gestaltungsspielraum eingeräumt. Es gibt daher an der Fernuniversität keine Hörsäle, denn mit Ausnahme weniger Präsenzveranstaltungen wie z.B. Seminaren wird der Lehrstoff nicht in Vorlesungen vermittelt. Dies geschieht vielmehr in schriftlicher Form durch didaktisch besonders aufbereitete Studienbriefe, die den Studierenden mit der Post oder per Internet in einem vorgegebenen Rhythmus nach Hause gesandt werden und dort eine selbstständige Erarbeitung erfordern.
Fernuniversität Hagen
Quelle: Internet 27
Seit der Aufnahme des Studienbetriebs ist die Zahl der Studierenden an der Fernuniversität kontinuierlich gestiegen. Nach zehn Jahren waren bereits 25.000 und 20 Jahre nach der Gründung 56.000 Studentinnen und Studenten in Hagen eingeschrieben. 2008 sind es immerhin noch 39.400 Studenten. Im Vergleich zu den Präsenzuniversitäten werden für die Lehre sehr viel weniger, nur etwa 80 Professorinnen und Professoren sowie rund 400 wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter eingesetzt (KVR 1988, S. 58 ff. und Internet 13).

Private Universität Witten/Herdecke

Universität Witten/Herdecke
Quelle: RVR-Fotoarchiv
Die Private Universität Witten/Herdecke wurde am 30. April 1983 als erste nichtstaatliche Universität Deutschlands eröffnet.

In vielen Ländern haben nichtstaatliche Universitäten oftmals eine lange Tradition und genießen wegen ihrer wissenschaftlichen und persönlichkeitsbildenden Leistungen ein hohes Ansehen. In Deutschland stellte diese Organisationsform der Hochschule ein absolutes Novum dar. Wie die Beispiele aus anderen Ländern zeigen, kann aber von der Gründung von Universitäten in freier Trägerschaft durchaus ein Impuls für das staatliche Hochschulwesen erwartet werden: Alternativen und Anregungen beleben die öffentliche Diskussion über Ziele, Inhalte, Formen von Forschung und Lehre und vermögen so auch die Qualität und Wirksamkeit universitärer Arbeit insgesamt zu stimulieren.

Die Universität Witten/Herdecke hat sich seit ihrem Bestehen bis zum Jahr 1993 rein privat, das heißt durch Spenden von Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen sowie durch Drittmittel und Eigenleistungen finanziert. Da sich in diesem Zeitraum das Budget verdreißigfacht hat, wurde ein neues Finanzierungsmodell erforderlich: Bund und Land beteiligten sich zunächst bei der Mitfinanzierung eines Gebäudes und später, ab 1995, an den laufenden Kosten. Zur gleichen Zeit wurde eine Kostenbeteiligung der Studierenden eingeführt, die gegenwärtig für einen Vollstudiengang je nach Studiengang zwischen 10.000 und 39.000 Euro ausmacht (Internet 14).

Im Jahr 2007 studieren in Witten rund 1.050 Studierende in den Bereichen Medizin, Zahnmedizin, Musiktherapie, Wirtschaftswissenschaft, Naturwissenschaft und Pflegewissenschaft.

Das Modell der privaten Universität zielt dabei mit seinen erheblichen Studiengebühren, geringen Studentenzahlen und günstigeren Betreuungsverhältnissen zwischen Dozenten und Studierenden weniger auf Breiten- denn auf Spitzenausbildung. Sie stellt damit eine wichtige Ergänzung in der Hochschullandschaft des Ruhrgebietes dar, könnte aber auch in Zeiten leerer öffentlicher Kassen Hinweise auf die Zukunft der finanziell ausblutenden staatlichen Hochschulen bergen (KVR 1988, S. 66 ff. und Internet 14).

Fazit

Die Hochschulen des Ruhrgebietes sind nach 30 bis 40 Jahren ihres Bestehens zu einem sehr erfolgreichen Motor des Strukturwandels geworden. Aber sie sind auch in die Jahre gekommen und reformbedürftig. Defizite lassen sich ausmachen:
  • Zunächst ist die Kooperation zwischen den Hochschulen des Ruhrgebietes ausgesprochen schwach ausgeprägt - ein Spiegelbild des regionstypischen kommunalen Kirchturmdenkens, der Nabelschau angesichts leerer Kassen und der eingeschränkten Kommunikationskultur? Durch Kooperation verschiedenartiger Kompetenzen können die Ressourcen fall- und zeitweise, also flexibel, gebündelt und vervielfacht werden. U.a. liegen ja gerade in der Verschneidung unterschiedlicher Fachdisziplinen die Chancen der Kreativität und Innovationen. Als ein positives Beispiel kann hier die Zusammenarbeit der Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund genannt werden, die sich seit März 2007 zur "Universitätsallianz Metropole Ruhr (UAMR)" zusammengeschlossen haben (Internet 32).

    Es steht allerdings zu befürchten, dass die "Zwangsfusion" der Universitäten Duisburg und Essen - dem Sparzwang gehorchend - genau jene Vielfalt reduziert, deren Potenziale durch Kooperation zu erhöhen wären.
  • Sodann birgt zwar die aktuelle Einführung der fast weltweit kompatiblen Bachelor- und Master-Studiengänge neue Chancen zur dringend erforderlichen internationalen Öffnung und Vernetzung. Aber ohne hinreichende Angebote englischsprachiger Veranstaltungen und Studiengänge könnte diese Öffnung zu einer Einbahnstraße werden, da ausländische Studierende seltener den Weg in die Ruhrgebiets-Hochschulen finden werden als umgekehrt. Dem "Brain-Drain" der so dringend benötigten Hochqualifizierten könnte Vorschub geleistet werden.
  • Auch der Weiterbildung wird an den Ruhrgebiets-Hochschulen noch unzureichende Aufmerksamkeit gezollt, wenn auch vereinzelt - so etwa im Weiterbildungszentrum der Ruhr-Universität Bochum (WBZ) und der Akademie der Ruhr-Universität GmbH - die Notwendigkeit gesehen und bestimmte Potenziale erschlossen werden.
  • Schließlich erfolgt die Einführung neuer (Querschnitts-)Studiengänge eher zäh. So ist beispielsweise die systematische Vorbereitung und Begleitung der umfangreichen Initiativen zur Unternehmensgründung seitens der Hochschulen noch verbesserungsbedürftig. Gerade hier weist das Ruhrgebiet nach wie vor einen erheblichen Bedarf, aber vermutlich auch umfangreiche Potenziale auf.
  • Bei aller erforderlichen Praxisorientierung darf nicht vergessen werden, dass sich die Hochschulen des Ruhrgebietes einen schlechten Dienst erweisen, wenn sie sich angesichts leerer Kassen zunehmend der Auftragsforschung widmen. Ihren eigentlichen gesellschaftlichen Auftrag zur Grundlagenforschung und zur kritischen Orientierung auch und gerade in nicht marktgängigen Bereichen würden sie dabei verpassen und anderen (Elite-?)Universitäten überlassen.