Transportsystem und Arbeitsmarkt

Von ähnlich großer Bedeutung wie die Erschließung neuer (Erz-)Zuliefer- und Absatzmärkte für Kohle und Stahl-/Maschinenbauprodukte ist aber auch der Sachverhalt, dass über das gleiche Schienennetz, das die neuen Märkte bediente, auch riesige Arbeitsmärkte erschlossen werden konnten. Der Bergbau hatte die Hellwegzone bis zur Emscher erobert und damit die Zeit des kapitalintensiven Tiefbaus in Großzechen eröffnet.
Industrielandschaft 1867 (Essen)
Quelle: Presseamt Essen, Stadtbildstelle
Dieses Bevölkerungs- und Siedlungswachstum mit seinem Bedarf an städtischen Versorgungseinrichtungen wie Groß- und Einzelhandel, Wohnungsbau, Schulen, Krankenhäusern, Verkehrseinrichtungen, Gesundheits- und Versicherungswesen sowie das dazu gehörige Handwerks-, Produktions- und Dienstleistungsgewerbe, setzten in einer sechsten Prozessdynamik ein ganzes Bündel von sich selbstverstärkenden Wachstumseffekten, den sog. "Industrialisierungs-Urbanisierungs-Kreislauf" in Gang. Der dabei entstehende Bedarf an Arbeitskräften war nur durch groß angelegte Anwerbeaktionen immer weiter entfernter Regionen zu befriedigen. Die Aufhebung der Feudalstruktur hatte besonders im deutschen Osten einen großen Teil der Landbevölkerung freigesetzt. Menschen, die nun in den Städten, allem voran im aufstrebenden Ruhrgebiet, eine neue Existenz aufbauen wollten.
Bevölkerungsentwicklung im Ruhrgebiet 1820-1936
Bevölkerungsentwicklung im Ruhrgebiet 1820 - 1936
Quelle: Benedict 2000, S. 18
In der Zeit von 1850 bis 1925 stieg die Bevölkerungszahl des Ruhrgebietes von etwa 0,4 Mio. Einwohner auf das fast Zehnfache, auf 3,8 Mio. Einwohner an. Dabei plante, baute, produzierte und entsorgte jede Zeche und jedes Stahlwerk nach jeweils eigenen wirtschaftlichen Erfordernissen. Lebensqualität, gar urbane, oder eine geordnete Siedlungsentwicklung stand nicht im Interesse der sog. Schlotbarone.